Nach “Neo-Pastorale“ und „Ground Control to Major Tom” zeigen wir im Kunstverein Neukölln mit „Schockstarre“, der 3. Ausstellung in unserer Landschaftsreihe, einen eher dystopischen Aspekt.
Am Ende jeder Katastrophe gibt es jenen fast paradoxen Moment der absoluten Stille, bevor wir realisieren, was da eben geschehen ist. Den Moment der Schockstarre – die Ruhe nach dem Sturm.
Genau dieses Innehalten findet sich in den formal sehr unterschiedlichen Positionen von Charlotte Bastian mit den fotografischen Collagen, von Joachim Ramin mit den Lichtobjekten und Rosa Brunner mit der bildhauerischen Rauminstallation.
Das Ausgangsmaterial für die Collagen von Charlotte Bastians „Shifting“-Serie sind eigene Fotografien, die sie bei Studienaufenthalten an so unterschiedlichen Orten wie z.B. der Lausitz, Island oder Südamerika aufgenommen hat. Menschenleere Landschaftsfragmente sind völlig disparat zusammengefügt. Unsere Sehgewohnheiten werden aus den Angeln gehoben, wir verlieren die Orientierung. Dekonstruktion und Konstruktion. Die intensive Lichtstimmung in Bastians Bildräumen schließlich steigert die unheimliche, an und für sich ruhige Szenerie ins Bedrohliche. Noch unmittelbarer, bedrängender wirkt die Stimmung durch den 3D-Effekt beim Blick in das Stereoskop.

DONE, 2024, Aluminium, Asche, Kohle, Acrylglass, Led-Display, 48 x 67 x 8 cm, Abbildung © Joachim Ramin
Auch Joachim Ramin zerlegt, fragmentiert um den Dingen im wörtlichen Sinne auf den Grund zu gehen: „Grounding“. Dieses Freilegen, das Sichtbarmachen des Verborgenen, der zunächst unsichtbaren Energieströme, eröffnet eine Reflexionsebene. (Welche Kräfte wirken im Untergrund, wenn der Boden an der Oberfläche aufreißt? Wie verteilt sich die Energie bei einem Blitzeinschlag?). Auf den ersten Blick muten Ramins Lichtobjekte eher abstrakt an. Die strenge Form und technische Aspekte stehen im Vordergrund. Und doch sind zugleich tiefere Informationen zu ahnen. Bodenstrukturen werden ab- und nachgeformt oder transformiert. Vor allem werden die Energieflüsse eines bestimmten Ortes durch die Lichtlinien aufgezeigt. (Der Blitz, der vertikal in die Erde einschlägt und sich dann horizontal verteilt.)
Die Installation „Livello“ (Ebene) ist Teil des Langzeitprojekts „Feldforschung“ von Rosa Brunner. Mehrmonatiges Arbeiten vor Ort in verschiedenen Steinbrüchen erlaubt ihr der jeweils spezifischen Resonanz des Landschaftsraums nachzuspüren. Ein Studienaufenthalt im Tessin zur Erforschung des Cristalliner Steinbruchs erfuhr durch eine Flutkatastrophe eine dramatische Wendung. Die Straße war weggespült, der Steinbruch teilweise ins Tal abgerutscht und nicht mehr erreichbar. Das neu entstandene Flussbett war nach Abfluss des Wassers eine gigantische Steinwüste. Starre Dystopie inmitten der Idylle. Um die erstarrte Situation in eine künstlerische Form zu übersetzen, sammelt und kappt Brunner einige der angeschwemmten Steine. Durch die Präsentation auf der horizontal gespiegelten Gegenform gelingt es ihr, die nun nach dem Sturm nicht mehr vorhandene Wasseroberfläche als reglosen Pegel zu imaginieren. Das Innehalten danach.
Kuratiert von Barbara Duisberg.