Corvidae

Ursula Antesberger · Barbara Duisberg · Bjørg Holene · Ayumi Rahn · Andrea Zaumseil

10. August 2024 bis 22. September 2024
Vernissage: Freitag, 9. August 2024, 19.00 Uhr
Ausstellungsende: Sonntag, 22. September 2024, 19.00 Uhr

Sonderveranstaltungim Rahmen der Ausstellung:
„Krabat“-Lesung mit Gunnar Herrmann: Freitag, 30. August 2024, 19.30 Uhr

Die Finissage wird im Rahmen eines Künstler*innengesprächs stattfinden.

Postkarte Corvidae

Foto: Ayumi Rahn, Design: Renè Moritz

Von Mai bis September 2024 zeigt der Kunstverein Neukölln eine dreiteilige Ausstellungsreihe, die sich – thematisch verschränkt – mit der kulturellen Wahrnehmung der Tierwelt im Kontext von Urbanität und Fabel befasst. Letztere hat in der Literatur einen kulturübergreifenden, historischen, überdauernden Platz.
Die bildende Kunst befasst sich mit Fabeln oft illustrativ. Welche anderen Bildformen ermöglichen eine visuelle Beschäftigung mit der Übertragung menschlichen Verhaltens – in der Gesellschaft oder als Individuum – auf die stellvertretenden Tiere? Unser Projekt stellt Betrachtungen der Tierwelt in den Fokus, die zugleich als Projektionsflächen aktueller gesellschaftspolitischer Themen dienen.
Nach den Insekten und dem Rotfuchs widmet sich die dritte und letzte Ausstellung den Corvidae, den Rabenvögeln. Ihre Intelligenz und Sprachbegabung, aber auch ihre Eigenschaft als Aas- und Erntevertilger führten zu einer ambivalenten Rolle in vielen Kulturen weltweit: Einerseits wurden ihnen Weisheit und Gewitztheit unterstellt, andererseits wurden sie als angebliche Unheilsbringer und Schädlinge verfolgt.

 

Für Ursula Antesberger ist die Natur ein wiederkehrendes Thema ihrer künstlerischen Beschäftigung. In Verbindung mit der flachen Niederrheinlandschaft und den weitläufigen Feldern, wo Antesberger aufwuchs, wird die Krähe für die Künstlerin zum Symbol von Weite und Freiheit. Das Zusammenspiel von Krähen und Vogelkäfig in der Installation „Alle meine Krähen“ weist auf das ambivalente Verhältnis des Menschen zur Freiheit, dem Ungebundensein hin, das nur schwer vereinbar ist mit dem gleichzeitigen Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit.


Barbara Duisberg zeigt Raben und Krähen portraithaft im goldschimmernden Symbolraum. Im christlichen Kulturkreis verweist der Goldgrund traditionell auf Heiligendarstellungen und das himmlische Jerusalem. Im Gegensatz etwa zur Taube erhält der Rabe nur wenig Raum in der positiv besetzen christlichen Ikonographie. Bei Barbara Duisberg wird dem häufig – und zu Unrecht – dämonisierten Tier sein Recht zugesprochen, Teil der Schöpfung zu sein. An die Stelle der Heiligen tritt hier die schlichte Kreatur. Die für ihre Intelligenz bekannten Vögel dienen als Stellvertreter und Projektionsfläche für menschliche Charakterzüge und Verhaltensmuster.


Die norwegische Malerin Bjørg Holene begreift die Raben in ihrer Malerei als soziale Wesen. In abstrahierter Form sind zahlreiche Vögel im Geäst dargestellt. Geradezu flächig werden sowohl Tierkörper als auch die Baumkronen dargestellt. Auch hinsichtlich der Farbigkeit kommt es zu Verfremdungen. Die als Silhouette aufgefassten Vögel verlieren ihre natürliche Schwarz- oder Graufärbung des Gefieders und nehmen unterschiedlichste Farbnuancen an. Der beobachtende Blick der Raben – ein markantes Moment ihres Wesens und Verhältnisses zur Welt – wird zu einem auffälligen Gestaltungselemente.


Ayumi Rahn widmet sich der Darstellung von Krähen in einer nahezu heraldischen Herangehensweise. Die in Gänze dargestellten Vögel scheinen in den grafischen Arbeiten einerseits mit der symbolischen Bedeutung aufgeladen, die ihnen in der Mythologie verschiedener Kulturen zugeschrieben wird. Andererseits sind sie uns durch alltägliche Begegnungen in ihren Posen und Blicken vertraut. Mit einer geradezu majestätischen Distanz beäugen sie uns als Betrachtende und verweigern sich einer Annäherung als verniedlichte Wesen. Technisch gesehen entsteht die Zeichnung aus dem Negativ, was eine stark plastische Wirkung erzeugt.


Andrea Zaumseil ist Bildhauerin und Zeichnerin. Ihre oft großformatigen Pastellkreidezeichnungen sind stark vom dreidimensionalen Denken geprägt. Sie beschreiben Räume, Landschaften, Meer, Himmel, Körper im Raum. Sie handeln von der Suche nach Verortung in der inneren und äußeren Welt. In ihrem zeichnerischen Werk, das sich im Grenzbereich zur Malerei ansiedelt, verwendet Zaumseil ausschließlich schwarze Pastellkreide. Die in der Ausstellung gezeigten formatfüllenden „Raben“ aus der Serie „Vögel IV“ von 2021 scheinen uns direkt gegenüberzutreten, sie blicken uns an aus einem unbestimmbaren Raum, vorwitzig, lauernd, beobachtend, herausfordernd.

Kuratiert von Barbara Duisberg und Rebekka Liebmann.